Dienstag, 19. Januar 2010

berg und tal.


Der Tag fing heute eigentlich richtig gut an. Schon beim Aufstehen dachte ich mir: Heute bist du sogar mal einigermaßen ausgeschlafen. Als ich dann aus dem Haus ging, war schon ein Hauch von Tageslicht am klaren Winterhimmel zu erkennen und ich freute mich darüber, dass es morgens jetzt nicht mehr absolut finstere Nacht ist, wenn ich zur Schule muss. In der Schule angekommen machte ich mich an die Überarbeitung meiner Schnecke. Gestern abend hatte ich einen Blick in das Buch über die letzte Amati-Austellung in Cremona geworfen, und dabei waren mir plötzlich Kleinigkeiten aufgefallen, die ich sonst nie bemerkt hatte, die aber entscheidend zum typischen Charakter des Instruments beitragen. Genau das wollte ich in die Tat umsetzen und es klappte auch alles ziemlich genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Nach der Schule lud uns Julia zum Kaffeetrinken auf ihrem Balkon zuhause ein, denn das Wetter draußen war einfach traumhaft. Die Sonne schien, es war sogar relativ warm und nur ein paar kleine, weiße Wölkchen zogen gemächlich am sonst strahlend blauen Himmel entlang.
Den Höhepunkt erreichte meine Stimmung schließlich, als Susanne anrief und uns verkündete, dass die Einladungskarten für unsere Gesellenfreisprechnung bei ihr angekommen seien und sie diese gleich mitbringe. Gespannt warteten wir. Als ich Susanne die Tür öffnete, sah ich aber gleich schon an ihrem Gesichtsausdruck, dass sie wohl nicht gerade das geworden waren, was wir erwartet hatten. Und so war es dann leider auch. Statt einer richtigen, stabilen Postkarte hielten wir wenig später etwas dickere Flyer in unseren Händen. Dafür, dass wir so viel Ärger mit der Bestellung hatten, eine ganz schön herbe Enttäuschung. Um irgend etwas noch daran zu ändern, war es jetzt allerdings zur spät.
Nach dem leckeren Käffchen, dass den Wehrmutstropfen wenigsten ein bisschen herunterspülte, gab es dann die obligatorische Autogrammstunde. 250 Karten warteten auf unsere Unterschriften, und es ging eigentlich sogar erstaunlich schnell. Für das nächste Mal allerdings: Keine Stabilos auf beschichtetem Papier, verschmiert nämlich sonst! War dann aber ebenfalls schon zu spät und die Karten unterschrieben.
Wieder zuhause, machte ich mich als erstes hochmotiviert an die angefallene Hausarbeit und setzte erst einmal die Waschmaschine in Gang. Dann kam ich ins Grübeln. Sollte ich nun anrufen oder nicht? Ich gab mir einen Ruck. "Jetzt, oder nie!" dachte ich und wählte die Nummer der Geigenbauwerkstatt, in der ich mich zwischen Weihnachten und Neujahr beworben hatte. Leider war der Chef selber gerade mit einem Kunden beschäftigt und seine Frau notierte sich meine Telefonnummer, damit er mich später zurückrufen kann. Also wartete ich... und wartete, und wartete und wurde immer nervöser. Als ich dann gerade im Keller nach der Wäsche schaute, rief er plötzlich an. Und dann kam die ernüchternste Nachricht des Tages: Eigentlich wäre noch alles offen, aber uneigentlich hätte sie einem anderen Bewerber, der wohl schon Berufserfahrung hat, aber einige Jahre aus dem Beruf raus gewesen sei, schon eine quasi "Drittelzusage" gegeben. Außerdem würde dieser erst einmal ab Ende Februar für 2 Monate ein bezahltes Praktikum in der Werkstatt machen. Ich hätte nun zwei Möglichkeiten, erstens, mich im April noch einmal zu melden, oder zweitens, vor Ende Februar einen Tag Probe zu arbeiten. Natürlich habe ich ihm gleich mitgeteilt, dass ich gerne letzteres tun würde. Ein bisschen Angst habe ich jetzt allerdings schon, dass ich durch meine quasi nicht vorhandene Arbeitserfahrung in einer realen Geigenbauerwelt mit dem anderen Bewerber nicht mithalten kann. Ich fühle mich irgendwie wie ein zerplatzter Luftballon. Zuvor war ich voller Zuversicht, dass das tatsächlich was werden könnten, da es mir nach dem persönlichen Gespräch so vorkam, als wenn wir zumindest menschlich schon einmal sehr gut miteinander auskommen, was ein entscheidender Punkt ist, da er, wie er selbst sagte, mehr Zeit mit dem Gesellen in der Werkstatt verbringt, als mit seiner Frau, und ich muss dazu sagen, dass seine Frau gelegentlich sogar auch noch mit in der Werkstatt arbeitet. Als ich letzte Woche erfahren habe, wer sich unter anderem noch für die Stelle beworben hatte, nämlich eine Person, die ich kenne und von der ich weiß, dass sie wohl zwar sehr schnell, dafür aber unsauber arbeitet und zudem menschlich nicht gerade pflegeleicht ist, gab mir das erst schon einmal einen kleinen Auftrieb. Jetzt aber, da ich gehört habe, dass es tatsächlich schon einen Favoriten gibt, wird es mir in der Magengegend ganz anders zumute. Am Freitag werde ich jedenfalls erst einmal den Gang nach Canossa bzw. die Fahrt nach Garmisch antreten dürfen, um mich beim Arbeitsamt für die Zeit ab dem 15. Februar arbeitslos zu melden.

Good night and good luck,
Änny


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